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5 Tage mit dem Renault ZOE

Über eine 48 Stunden Probefahrtaktion von Renault bin ich auf den „ZOE“ aufmerksam geworden, ein 100% Elektrokleinwagen, der augenscheinlich recht alltagstauglich und hübsch aussah. Prompt habe ich einen Termin ausgemacht und am Telefon das Angebot bekommen, den ZOE über das Wochenende hinaus plus zwei weitere Tage zu bekommen um das Fahrzeug auch im Alltag testen zu können.

Es ist tatsächlich erstaunlich, wie angenehm flink und leichtfüßig sich der kleine Wagen fährt. Kein Anfahrtsruckeln durch die fehlenden Schaltstufen, in niedrigen Geschwindigkeiten kaum Geräuschemission, „angenehme Beschleunigung“ für einen Kleinwagen und mit einer maximalen Praxisreichweite von 165km (Landstraße und Stadtverkehr, sparsame Fahrweise) sind wir sogar verhältnismäßig weit gekommen. Im NEFZ wird der Wagen mit 210km angegeben. Die Alltagserfahrungen verschiedener Leute liegen aber bei 120-150km in der warmen Jahreshälfte.

Zur Beschleunigung lässt sich aber noch sagen, dass der ZOE nicht schneller sprintet als konventionelle Fahrzeuge. 0-100 in ~12Sec sind keine rühmlichen Werte, fühlen sich aber in einem Elektroauto deutlich aufregender an als bei einem Verbrennungsmotor. Auf dem Papier ist er gleich auf mit meinem Dacia Duster und zählt damit definitiv zu den trägsten Fahrzeugen, die ich bis jetzt gefahren habe. Das „Beschleunigungserlebnis“ im ZOE kommt daher, dass es keinen immer lauter werdenden Motor gibt, der einem Akustisch eine Beschleunigung ankündigt auf die man sich einstellt. Durch das sehr früh und beständig anliegende Drehmoment kommt der Schub des Fahrzeugs sehr unverhofft und wird nur dadurch als recht zügig wahrgenommen.

Wie aber schlägt sich der Wagen im Unterhalt im Vergleich zu meinem Dacia Duster? Lohnt sich der Umstieg? Immerhin entfallen ja einige Unterhaltsfaktoren bei einem 100% Elektrofahrzeug.

ZOEDuster

Der Preis für die Akkumiete ist bedingt durch meine Jahresfahrleistung recht hoch und macht den Wagen somit leicht teurer als den Dacia Duster. Interessanterweise könnte ich aktuell den Faktor Stromkosten mit etwas Aufwand und Planung gegen 0€ senken, wenn ich nur die Ladeinfrastruktur der Stadtwerke Ulm nutzen würde, die aktuell für dieses Jahr (noch) kein Geld für die Abrechnung verlangen. Somit würden sich die Stromkosten nur noch auf das „Notladen“ Zuhause belaufen.

Apropos Stromkosten: Man muss unbedingt darauf achten, dass man nicht nur den Strom zu bezahlen hat, den man verfährt sondern noch einen recht hohen Faktor an Verlustleistung beim Laden mit einkalkulieren muss. Ich hatte an einem Tag 20kW der 22kW verfahren. Habe dann aber an einer öffentlichen Stromtankstelle mit „Verbrauchsanzeige“ 25,4kW geladen. Das macht einen Wirkungsgrad beim Laden von 0.73. Ziemlich happig, wenn man 27% mehr Strom bezahlt als man verfährt (Dieser Faktor ist in meiner Rechnung oben nicht einmal einkalkuliert und verteuert die Rechnung damit noch etwas)

Das Thema Laden ist auch für mich persönlich der größte Kritikpunkt am ZOE bzw. am „Elektronautendasein“ selbst. Der Renault ZOE emittiert beim Laden in Abhängigkeit der ladenden Stromstärke ein EXTREM nervtötendes, hochfrequentes Fiepen/Pfeifen, das über fast 100m Luftlinie noch hörbar ist. Ich persönlich würde das keinem Nachbarn zumuten wollen. Zwar können Menschen ab einem gewissen Alter dieses Geräusch nicht mehr hören aber ich gehe von mir aus und mich stören „Marder-Schreck“ Geräte beim Vorbeilaufen an parkenden Autos auch ungemein. In der Nähe (m)eines Schlafzimmers undenkbar. Hier muss technisch definitiv noch viel passieren!

Zwar gibt es in Ulm inzwischen recht viele Elektroladesäulen. Aber diese sind auch sehr gut besucht und es gibt keine offizielle Parkregelung die dafür sorgt, dass ein geladenes Fahrzeug nach einer Kulanzzeit von X wieder Platz machen muss. Meiner Erfahrung nach werden die Fahrzeuge angesteckt und erst dann wieder abgesteckt, wenn der Besitzer weiterfährt (Feierabend macht). Anfangs dachte ich, dass knapp 100 Ladesäulen in der Umgebung locker ausreichen. Aber über die Hälfte meiner angetroffenen Ladesäulen waren auch belegt mit ein bis zwei Fahrzeugen. Die öffentliche Infrastruktur hängt hier also den Bedürfnissen schon hinterher und würde für mich bedeuten einen Großteil der Ladungen daheim vorzunehmen. Die langen Standzeiten der Fahrzeuge an öffentlichen Ladesäulen sind aber auch größtenteils hausgemacht. Es gibt hier in der Umgebung zu 90% Ladesäulen, an denen die Fahrzeuge mit nur 11kW laden. Das bedeutet beim ZOE  eine 0-80% Ladezeit von knapp 4 Stunden. Der Wagen könnte aber mit bis zu 45kW geladen werden, was eine 0-80% Ladung von 30min bedeuten würde. Das wäre meiner Meinung nach ein ordentlicher Ansatz, der einem als ZOE-Fahrer von der Renault Batterie-Leasinggesellschaft versaut wird, die für jede „Schnellladung“ extra Geld will. Im Leasingvertrag der Batterie steht z.B.: Pro Schnellladung (über 24 kW Leistung) sind 2 EUR inkl. MWSt. fällig. Es gibt inzwischen genug Ladesäulen, an denen diese Ladung extra Geld von Seiten der Leasingfirma kosten würde. Was soll das?

Außerdem ist die Leasingfirma in der Lage Remote die Ladung des Fahrzeugs zu verhindern. Ich denke da gar nicht mal an den Fall, dass der Kunde seine Leasingrate nicht bezahlt sondern eher an das versehentliche deaktivieren oder an einen findigen Angreifer, wie es bereits andere Automobilfirmen in der Vergangenheit leidlich haben erfahren müssen.

Von einem deutschlandweiten Ladenetz lässt sich leider nicht reden, denn jeder regionale Energieversorger stellt eigene Abrechnungsmodelle zur Verfügung. Einmal quer durch Deutschland ohne intensive Planung ist nicht möglich. Der eine Versorger lässt seine Ladesäulen via SMS freischalten (Zahlung via Telefonrechnung), bei anderen muss eine RFID Karte mit Grundgebühr gekauft werden (viel Spaß an Sonn- und Feiertagen), andere rechnen zu horrenden Preisen nach Lademinuten ab. Wer mit seinem Auto im Heimatkreis bleibt kann sich mit den Gegebenheiten Arrangieren. Aber außerhalb ist man leider auf den Goodwill der Energieversorger angewiesen, wie diese mit Contact-Ladern umgehen.

Renault ZOE am Stecker (11kW)

Prima, dass ich den Wagen auch im Alltag testen konnte. Ohne mich groß sparsam mit dem ZOE bewegen zu müssen hatte ich auf meiner Geschäftsstrecke folgende Verbrauchswerte:

Wohnort –> Arbeit: -35% Akku = 7,7kW (Extrem Sparsam: 6,0kW)

Arbeit –> Wohnort: -20% Akku = 4,4kW

Hier macht sich der Höhenunterschied deutlich bemerkbar. Auch bemerkbar machen sich Geschwindigkeiten, wie sie bei meinen 90% Autobahn kaum vermeidbar sind (außer man hat Lust sich die Reklame von Lastfahrzeugen anzuschauen). In meinem Alltag wären also drei Strecken inkl. Reserve für Einkaufsfahrten o.Ä. möglich. Es wäre also Backup vorhanden, wenn es an einem Tag nicht möglich wäre den Wagen tagsüber an einer öffentlichen Ladesäule zu laden, wie es in Zukunft wohl mit erhöhtem Aufkommen von Elektrofahrzeugen zwangsweise eintreffen wird.

Im 5-Tagesschnitt bin ich auf einen Leistungsabgabe von ca. 16,8kW / 100km gekommen und liege damit- bedingt durch meine fast ausschließlichen Autobahnfahrten +16% oberhalb der Werksangabe.

Daheim haben wir die Möglichkeit mit dem Renault-Notladekabel (10A 230V) ~2,3kW exkl. Verlustleistung zu laden. Auch ein Starkstromanschluss (16A) mit 6,37kW stünde zur Verfügung. Von Schnellladung kann also keine Rede sein. Wer etwas in die Zukunft blickt sollte sich beim Hausbau also genau überlegen, ob er sich nicht gleich eine ordentliche Stromleitung für sein E-Auto legen lässt 😉

Sonderlich wohnlich ist der Innenraum des ZOE leider nicht. Ich kann nur wenig Unterschied zu meinem Dacia Duster feststellen. Bedingt durch die Gewichtsersparnis zur Verbrauchsoptimierung findet man hier nur Hartplastik dafür aber leicht bessere Sitze. Die Verarbeitungsqualität geht gerade noch so ok. Es knarzt etwas weniger wobei mein Dacia anfangs auch ruhiger war als er jetzt ist. Leise ist der Wagen auch nur innerstädtisch. Auf der Landstraße treten die Abrollgeräusche der Reifen recht stark in Erscheinung und auf der Autobahn kommen auch noch die Windgeräusche verstärkt dazu. Spätestens dort merkt man kaum noch Unterschied zum Geräusch eines Verbrennungsautos.

2015-04-21 08.36.56

Die Erfahrung mit dem Elektroauto hat wirklich Spaß gemacht und lässt auf die Zukunft hoffen. Auf mehr Reichweite, bessere Laderegelungstechnik und eine durchdachtere öffentliche Ladeinfrastruktur. Für mich wäre ein Elektroauto im Alltag sicherlich möglich, aber mit recht viel Aufwand und Planungsunsicherheit der Ladungen verbunden. Und solange kein Komfortgewinn zu meinem Dacia vorhanden ist, rechtfertigt sich mir der Aufpreis nicht. Fehlt noch der Zugriff auf einen Tesla… für „Vergleichszwecke“ XD

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3 Kommentare

  1. Achim

    Danke für die ausfühliche und klare Beschreibung deiner Erfahrungen mit dem Zoe.
    Ich werde ab morgen abend den ZOE für 48h zum Ausprobieren haben. Deine Infos sind sehr hilfreich, damit habe ich einige gute Hinweis auf Dinge die ich genauer betrachten werden.
    Mit Gruß
    Achim

  2. Udo

    Interessanter Bericht! Der Aufpreis für die Schnellladung ist wahrscheinlich dadurch begründet, dass die Batterie dadurch stärker belastet wird und sich die Lebensdauer verkürzt.
    Meine Beobachtungen zu Ladesäulensituation ist aber etwas anders. Die von dir genutzte Säule ist tatsächlich täglich bis Feierabend blockiert, jedoch gibt es in der Helmholtzstraße noch zwei weitere Lademöglicheiten. Eine ist beim Helmholtzinstitut und eine im Parkhaus. An beiden habe ich noch nie Fzg. gesehen. Beide sind aber auch nicht von der SWU.
    Meine Erfahrungen mit E-Fahrzeugen stammen aus der Zeit, als es noch car2go (Smart) in UL gab. Ärgerlich fand ich eher, dass viele Ladesäulen von normalen Autos blockiert werden, was blöd ist, wenn man nicht mehr viel Reserve hat.
    Laut Anzeige im e-Smart lag der Verbrauch bei meinem Arbeitsweg von 7km bei 10% der Akkukapazität, wobei ich auf einem steilen Berg (18%) wohne, was Leistung kostet.

    Gruß

    Udo

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