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Tiny-Häuser auf Rädern: Die Illusion von Freiheit, Nachhaltigkeit und Lebensqualität – Tiny-House Messe in Karlsruhe

Seit anderthalb Jahren wohnen meine Freundin und ich in unserem kleinen Modul-Fertighaus und haben festgestellt, dass das Wohnen in dem kleinen Haus gut zu uns passt. Seit langer Zeit verfolge ich auch die /r/TinyHouses Community auf Reddit und finde, dass sie viele interessante Konzepte entwickelt hat, von denen man hinsichtlich Raumgestaltung, effizienter Platznutzung und Materialauswahl viel lernen kann. Ein Teil der Community widmet sich dort den „THoWs“, den „Tiny Homes on Wheels“, die größtenteils in Eigenleistung gebaut werden und das mit einem enormen Qualitätsanspruch. Diese Erwartungshaltung hatte ich bis jetzt auch, wenn ich THoWs im Sinn hatte.

Dennoch konnte ich persönlich dem Konzept der Tiny Houses on Wheels nie viel abgewinnen, da mir der Zweck dahinter in Deutschland nicht ganz klar wurde. In den USA genießen mobile Häuser einen anderen rechtlichen Status als klassische Immobilien. In Deutschland hingegen erscheinen mir die Probleme und Einschränkungen im Zusammenhang mit mobilen Häusern auf Rädern derart absurde Ausmaße anzunehmen, dass der eigentliche Sinn dieser Häuser verloren geht.

Auf der Messe „New Housing – Tiny House Festival“ in Karlsruhe habe ich gehofft einen guten Querschnitt der Hersteller verschiedenster Wohnkonzepte zu bekommen. Aber 3/4 der Aussteller verkauften besagte THoWs, was mich sehr überraschte. Warum werden diese THoWs überhaupt verkauft und an wen?

Bei Gesprächen mit Ausstellern und Besuchern stellte ich fest, dass es nicht darum ging die Häuser zur dauerhaften Bewohnung zu kaufen oder zu verkaufen, sondern vielmehr um sie als Investitionen mit maximaler Rentabilität zu vermieten.

Ich war binnen kürzester Zeit auf der Messe komplett desillusioniert, da hier offensichtlich nur ein „Tiny-House-Lifestyle“ für eine maximale Wohndauer von 14 Tagen verkauft wurde.

Bevor ich weiter meine Enttäuschung ausdrücke, muss gesagt werden, dass die Subkategorie der THoWs aufgrund der Gewichtsbeschränkung von oftmals nur 3,5 Tonnen von vornherein einer massiven Einschränkungen unterliegt, was den Materialeinsatz angeht.

Ich habe eine zum größten Teil absolut scheußliche Auswahl an Materialien im Innen-und Außenbereich gesehen und ein Raumklima verspürt, das nur das Innere eines Kühlschrankes hätte unterbieten können. Es fiel mir irgendwann schon positiv auf, wenn ein Haus im Innenbereich einige sichtbare Echtholzelemente oder Cross-laminated timber (CLT) hatte. Aber auch dort konnten die wenigsten nach dem Rundgang diesen positiven Eindruck aufrechterhalten. Eine positive Wohlfühl-Wohnqualität hätte ich keinem der Häuser attestieren können und das lag definitiv nicht an irgend einer Art von Raum- und Platzgefühl. Es war einfach die Materialwahl, die Haptik und Verarbeitungsqualität.

Auch wenn die Aussteller auf Nachfrage von Bewohnbarkeit dieser Häuser im Winter bei Minusgraden sprechen, habe ich da zum Teil sehr starke Zweifel.

„So wie das Haus hier steht können Sie das ganze Jahr wohnen“ sagte mir ein Aussteller, der einen Siphon und Abwasserleitungen ungeschützt im Außenbereich unter dem Haus entlang führt, in einem Land in dem Wintertemperaturen von über -20°C keine Seltenheit sind.

Ein paar Aussteller weiter stand ein Haus, das sogar die gesamte Wasseraufbereitung direkt im „Außenbereich“ montiert hatte. Ein Wasserboiler „geschützt“ durch eine offene Jalousie. Auch hier sprach man davon das Haus so auch im Winter nutzen zu können.

Die Baugenehmigungen für kleine Häuser oder Häuser mit Sonderformen sind ein Schmerzthema der meisten Leute. Damit zu werben man würde „Immer eine Baugenehmigung bekommen“ oder „gar keine Baugenehmigung brauchen“ sind absolute Bauernfänger. Spitzen, die mich nur kopfschüttelnd zurück lassen.

Kommen wir aber weg von den größtenteils unschönen Eindrücken zu ein paar schönen.

Ein Aussteller hat es mir damit angetan, dass er als recht junger Zimmereibetrieb in den Markt der modularen Fertighäuser eingestiegen ist und dabei Design, Ästhetik und Handwerk zu einem wirklich schönen Haus vereint hat, das auf Wunsch mit kleineren Änderungen KFW55 fähig ist und dabei sogar mehr als fair bepreist ist, wenn man es ins Verhältnis mit den THoWs setzt. Als einer der wenigen Hersteller am Markt verkleidet er auf Wunsch sogar die Außenhülle des Hauses mit abgeflammtem Holz, was es mir wegen seinen äußerst interessanten Eigenschaften in Sachen Haltbarkeit und Ästhetik schon seit langem angetan hat.

Im Allgemeinen stachen die meisten klassischen „Holzbauunternehmen“ auf der Messe heraus, die keine Karten im Game mit den Tiny-Houses-on-Wheels hatten. Im Gespräch mit diesen Herstellern wurde deutlich, dass sie sich z.B. intensiv mit jeder einzelnen Komponente des Dachaufbaus auseinandersetzen und sogar bei den Dampfsperren nach Materialien suchen, die den Weg zur Nachhaltigkeit vorantreiben. Dieser Ansatz bildete einen starken Kontrast zur „Investitionshölle des Tiny House Lifestyles“ und es hat mich sehr erfreut, doch noch den Teil der Branche zu entdecken, der genau weiß, für wen ihre Produkte bestimmt sind und dass es Menschen gibt, die darauf großen Wert legen.

Zusammenfassend lässt sich für mich festhalten, dass die kommerzielle Subgruppe der THoW etwas repräsentiert, was sie nicht ist. Es geht nicht um Lebensqualität, Nachhaltigkeit oder gar um die Sinnhaftigkeit des Konzepts an sich. Es geht lediglich darum ein temporäres Lebensgefühl zu verkaufen, welches den Kurzzeitbewohnern aber garantiert keine „Lust auf mehr“ bringen wird und das ist schade, weil es eine ganze Kategorie von „Tiny-Homes“ in eine sehr unschöne Ecke drück.

Auch hätte ich es schön gefunden, wenn der Tiny House Verband seine produzierenden Mitglieder mit einem Mindestmaß von Qualitäts- oder Nachhaltigkeitsmerkmalen ausgesucht hätte.

Einen Anbieter eines „billig-THoW“ habe ich angesprochen, warum denn gar kein großer preislicher Unterschied zu einem gezimmerten Modulhaus ein paar Stände weiter existiert?

Er holte ein Rechenbeispiel auf dem Niveau einer Bierdeckelrechnung hervor, bei wie viel Auslastung sich das THoW mit welchem phänomenalen Profit rechnen würde.

Hinter vorgehaltener Hand wurde auch gerne angemerkt, dass die Häuser ja eigentlich nur Räder haben um zum Bestimmungsort zu kommen und danach nie wieder bewegt werden – nicht einmal zum TÜV alle 2 Jahre. Hand aufs Herz, wie viele Fahrzeuge können 3,5 Tonnen überhaupt ziehen? Dennoch habe ich einen Vermieter mehrerer THoWs kennengelernt, der mehrere Stellplätze an einem Fluss in einem hochwassergefährdeten Gebiet hat und der diesen Vorteil tatsächlich aktiv ausnutzt.

Falls Euch das Thema „kleines Wohnen“ wirklich interessiert und ihr am THoW Konzept gefallen gefunden habt, dann würde ich Euch empfehlen den Hersteller sehr gut auszuwählen. Ein längeres Probewohnen finde ich persönlich unverzichtbar.

Ansonsten würde ich die stationären Modulhäuser empfehlen, da sie euch viel größere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Materialauswahl und Wärmedämmung bieten. Dort habt Ihr alle Freiheiten, um die Lebensqualität zu erreichen, die Ihr gerne haben wollt und baurechtlich gibt es dabei nicht arg viel mehr zu beachten als bei einem dauerhaft bewohnten THoW.

Es muss auch nicht unbedingt „der Modulhaus Hersteller“ sein. Zimmereien oder Holzbaufirmen, die Bock auf solche Projekte haben können das bestimmt genau so gut, wenn nicht sogar besser und vor allem Kundenindividuell. Wer sagt Euch, dass der vermeintliche Kostenvorteil einer Off-Site Produktion auch tatsächlich 1:1 an den Kunden weitergegeben wird?

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Ein Kommentar

  1. foorschtbar

    Schöner Beitrag. Danke dir.

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