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Wir „bauen“ ein Haus aus Estland – Die Vorbereitungen

TLDR: Wir reißen unser altes Haus ab und kaufen uns ein Haus aus Estland. Das Haus wird mit einem Schwerlasttransporter in Estland abgeholt, über die Ostsee mit einer Fähre nach Deutschland geschifft und über die Autobahn zu uns transportiert. Ein ziemlich großer Autokran stellt es bei uns auf das Grundstück. Aber wie kam es dazu?

Das alte kleine Haus

Uns gehörte ein kleines Haus mit Grundstück an einem Waldrand in Bayern. Idyllisch gelegen, am Ortsrand aber die Zufahrt zu unserem Haus ist nur 2,80m breit und das Grundstück liegt erhöht, mit einer ziemlich steilen Auffahrt.

Unser altes kleines Häuschen stand ca. 40 Jahre lang leer bevor wir vor über 10 Jahren dort eingezogen sind. Wir hatten uns das Haus beim Einzug notdürftig so eingerichtet, dass wir darin gut wohnen konnten doch leider war die Bausubstanz an sich nie sonderlich gut und der Leerstand hatte es nicht gerade besser gemacht. Uns wurde uns immer wieder und von vielen Seiten gesagt, dass eine aufwändige Renovierung bei dem Haus sinnlos gewesen wäre. Alleine den alten Warmluftofen im Keller zu ersetzen wäre kaum möglich gewesen ohne das Haus Grund auf mit neuer Dämmung und Fenstern zu versehen und auch dann hätten wir ein Haus mit einer Deckenhöhe gehabt, die für meine Körpergröße zu niedrig gewesen wäre und mit einem Raumlayout, das nicht sinnvoll nutzbar gewesen wäre. Zusätzlich war das Haus eine direkte Grenzbebauung mit teilweisem Grenzüberbau. Damit wären Genehmigungsverfahren bei baurechtlichen Änderungen am Haus immer kompliziert gewesen weil auch andere Leute dabei ein Mitspracherecht gehabt hätten.

Abriss oder „Neubau“?

Es ist 2020. Corona hatte gerade angefangen den ersten großen Insidenzberg aufzubauen und unser eigentliches Reiseziel hatte kurz vor dem Start der Reise seine Grenzen geschlossen. Wir hatten uns dann kurzfristig entschieden nach Estland zu fliegen weil dort die Insidenzen bei 1-2 Infektionen am Tag lagen und das sehr junge Land nicht nur auf den ersten Blick recht interessant aussah.

Wer sich für „E-Gouvernment“ interessiert, dem empfehle ich unbedingt einen Blick auf das Land zu werfen und wem das gefällt, der kann sich zum digitalen Bürger Estlands machen, was z.B. für Unternehmensgründungen ziemlich attraktiv ist.

In der Hauptstadt Tallinn angekommen haben wir im Hafenbereich eine Ansammlung kleiner Häuser gesehen, die zum Teil als Bürogebäude, als Hotel oder als Ladengeschäft genutzt wurden. Der erste Eindruck war irgendwie ansprechend. Große Fensterflächen und innen drin ziemlich gemütlich eingerichtet.

Ich konnte mich daran erinnern, dass ich vor einigen Jahren ein Bild von genau so einem Haus auf einem Imageboard favorisiert hatte.

Als wir dann etwas später in einem Café in Tallinn saßen, haben wir den Häusern etwas hinterher recherchiert und hatten auch recht schnell eine Mailadresse gefunden wo wir gefragt haben, ob wir uns eines der Häuser einmal anschauen konnten.

Kurze Zeit später hatten wir die Telefonnummer einer Frau bekommen, die die vermieteten Häuser dort betreut und waren kurz darauf wieder auf dem Weg zurück zu dem Häuserpark.

Wir durften uns zwei der Häuser von innen ansehen. Positiv aufgefallen war uns die durchdachte Raumaufteilung. Eine kleine Toilette mit Bad und das Raumgefühl war trotz der kompakten Größe angenehm. Die hohe Deckenhöhe von 3,50m machte viel aus. Ein perfektes Haus für einen Single oder als Büro für bis zu zwei Personen.

Das Detail, dass es die Häuser auch in der doppelten Größe gibt hat uns aufhorchen lassen. Aber leider konnten wir uns damals in Estland auf die Schnelle keines der großen Varianten anschauen. Die Bilder online sahen aber gut aus.

Wir setzten unsere Reise in Estland erstmal fort und beschäftigten uns ein paar Monate später erneut damit wie es mit unserem alten Haus weitergehen sollte. Das Thema mit den kompakten Fertighäusern aus Estland kam wieder auf.

Wir nahmen Kontakt zu einem österreichischen Vertriebspartner der Häuser auf wo wir die große Version des Hauses einmal anschauen durften. Eine kleine Variante, wie wir sie aus Estland kannten stand ebenfalls dort. Beide Häuser stehen inzwischen als Ferienunterkünfte zur Vermietung zur Verfügung. Damals „lagerten“ sie aber noch auf übergangsweise auf einem freien Platz in einem Wohngebiet.

Wegen Corona durften wir uns nur ohne Übernachtung und bis zu 12h in Österreich aufhalten um nicht anschließend bei der Rückreise in eine 14 Tägige Quarantäne zu müssen. Wir haben uns den deponierten Schlüssel in der Nähe der Häuser abgeholt und durften uns alleine umschauen. Ein karger, trister, regnerischer Tag und das Haus hatte weder Strom noch Wasser und doch war es im inneren hell und heimelig. Die große Version machte den Eindruck, dass wir dort auch problemlos zu zweit wohnen könnten. Bei der Heimfahrt fragten wir uns:

Wie baut man sowas? Keine Ahnung!

In unserem Kopf herrschte damals nur gefährliches Halbwissen zum Thema bauen. Hier half uns aber ein befreundeter Architekt, der uns den Vorgang erklärt hat. Im Prinzip unterscheidet sich der Bau von einem kleinen Fertighaus nicht vom Bau eines normalen Hauses. Es herrscht die gleiche Bauordnung wie für alle anderen und man macht die gleichen Behördengänge. Baut man unaufwändiger als wenn man ein normales Haus baut? Nein, leider nicht. Dennoch blieb die Frage, wie die Gemeinde das Bauvorhaben sehen würde. Der Gemeinderat stimmt über solche Vorhaben ab und wenn dort keine Zustimmung zustande kommt haben wir ein Problem.

Ein Termin mit dem Bürgermeister unseres Dorfes machte uns aber zuversichtlich. Wir hatten Bedenken wegen dem Flachdach aber in unserem Fall existierte für das Grundstück kein Bebauungsplan. Wir konnten viele offene Fragen klären und sind mit einem ganz neuen Grundveständnis für unser Bauprojekt aus dem Gespräch gegangen. Wir beantragten die ersten Unterlagen von der Gemeinde und von der Hausbaufirma.

Wo steht das neue Haus?

Es war für uns ziemlich einfach eine Position für das neue Haus auf unserem Grundstück zu finden. Wir hatten Abhängigkeiten, die die Möglichkeiten auf gerade einmal 75cm Manövrierfläche und nur wenige Grad Ausrichtungsänderung eingeschränkt haben:

  1. Das relativ hohe Gewicht des Hauses erlaubte mit seinen 14-15t nur eine Verkranungsdistanz von ca. 28m von der Straße aus. Unser Grundstück hat keine direkte Zufahrt sondern läuft durch das Nachbargrundstück. Damit kann sich der Kran nicht direkt an unser Grunstück stellen sondern muss das Haus über das Nachbarhaus hinweg heben. Mit den 28m Hebedistanz waren die Möglichkeiten eines 220T Autokranes bereits ausgereizt. Einen größeren Kran hätten wir nicht in die Straße bekommen können.
  2. Die Abstandsflächen, die wir zu den Nachbargrundstücken einhalten müssen limitierten uns in die anderen Richtungen.

Die Position und Ausrichtung des Hauses hatten wir erst im CAD virtuell eingeplant und im Anschluss Pfosten auf dem Grundstück eingeschlagen und zum ersten Mal konnten wir uns grob vorstellen wie unsere Ausblicke aus dem Haus einmal aussehen würden und wie das Licht über das Jahr hinweg in das Haus fallen würde.

Jetzt kam unser Architekt mit einem Nivelliergerät vorbei um das Geländehöhenprofil zu erfassen um die Unterlagen für die Bauvoranfrage zu erstellen.

Die Unterlagen haben wir dann bei der Gemeinde eingereicht und dort wurde sie bei der nächsten Gemeinderatssitzung besprochen und es wurde darüber abgestimmt. Wir waren bei der Abstimmung dabei und waren wahnsinnig aufgeregt, wie das Vorhaben aufgefasst wurde. Es wurde sich definitiv mehr Zeit genommen die Unterlagen durchzugehen und sich die Pläne anzusehen als bei den anderen Bauvorhaben über die an dem Abend abgestimmt wurden aber wir hatten eine mehrheitliche Zustimmung und waren super happy, dass uns das Projekt nicht schon in der Anfangsphase gleich zerrissen wurde. Im Anschluss wurden die Unterlagen an das Landratsamt zur weiteren Prüfung weitergeleitet. Das Papier war erstmal einige Wochen unterwegs. Zeit sich um ein paar Sachen zu kümmern.

Wie kommt das Haus von Estland nach Deutschland?

Eigentlich liefert die Hausbaufirma ihre Häuser mit ihrer Haus-und-Hof Spedition aber weil sich die Straße zu unserem Grundstück 50m vorher auf 4,07m Breite verengt wollte sich deren Spedition nicht an den Transport herantrauen. Das Haus selbst ist 4m breit, 4m hoch und 13m lang. Es wird auf einem Tiefbetttransporter auf der Straße bewegt um durch Tunnel und unter Brücken durch zu passen. Die Strecke zwischen Estland und Deutschland würde das Haus mit einer großen Fähre zurücklegen. Der komplette Transport dauert zwischen 4 und 7 Tagen.

Damit das Gewicht abgefangen werden kann fährt hinter dem Haus nachlaufend nochmal ein Fahrgestell mit drei Achsen und die Zugmaschine vorne addiert weitere Meter ans Länge hinzu. Der komplette Transport ist also etwas über 25m lang und das buxiert man nicht einfach nachts mit wenigen cm Toleranz durch eine Straße hindurch. Deswegen haben wir uns selbst nach einer Spedition umgesehen, die uns den Transport machen würde und sich die enge Stelle bei uns in der Straße Vorort ansehen konnte.

Würde ein kritischer Gartenzaun abgemacht werden könnte es klappen mit dem Transport. Sicherheitshalber sollten auch noch ein paar Äste eines Baumes entfernt werden. Die betroffenen Nachbarn waren super hilfreich und haben uns zugesagt, dass wir den Zaun für die Aktion abflexen dürfen, wenn wir ihn anschließend wieder anschweißen würden. Die unteren Äste des Baumes zu entfernen war auch kein Problem für die anderen Nachbarn.

Wie groß ist so ein Autokran? Ja!

Das Transport und Verkranungsbusiness ist gut vernetzt und unsere Spedition hat sich für uns auch um die Organisation der Vertranung gekümmert und hat uns jemanden vorbei geschickt, der sich die Straße bei uns angesehen hat um zu beurteilen, ob ein Autokran sich dort aufbauen könnte und ob die lange Hebedistanz mit dem Gewicht des Hauses machbar wäre. Wir hatten uns selbst im Internet vorher informiert, wie weit man denn 14,5t Gewicht mit einem Kran heben kann aber die Profis wissen, dass es alleine mit dem Gewicht des Hauses nicht getan ist. Der Haken, die Traverse addieren weitere hunderte Kilo an Gewicht hinzu. Der Mitarbeiter hatte ein kleines Heftchen dabei in dem er geblättert hat um den richtigen Kran für den Job zu finden. Er blätterte, schüttelte den Kopf und blätterte weiter. Wir standen nervös daneben und als kaum noch Seiten in dem Heftchen übrig waren stoppte er….

„Das wird ein großer Kran… 220t… aber das bekommen wir schon hin“

Genau die Dinge, die man hören möchte aber wie groß der Kran tatsächlich werden würde haben wir erst am Vortag der Hauslieferung zu spüren bekommen.

Bevor wir das Angebot für die Verkranung bekommen hatten war noch ein weiterer Mitarbeiter der Verkranungsfirma da um sich abzusichern, dass die Ausleger des Autokrans tatsächlich weit genug ausfahren können würden. Eine Pergola vom Nachbarhaus sollte vorher weg und ein Holzlagerplatz sollte sicherheitshalber auch vorher abgebaut werden, dass der Kran genug Platz zum Schwenken mit seinen Gegengewichten hat.

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Ein Kommentar

  1. Wir bauen auch ein Haus. Interessant, dass ein Autokran auch sehr groß ist und man erst den Platz dafür haben muss. Wir werden uns mal mit einem Kranverleih auseinandersetzen.

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